Pfarrkirche Sankt Gervasius und Protasius
Mitten im Ort gelegen bildet die denkmalgeschützte Pfarrkirche Sankt Gervasius und Protasius das geometrische Herzstück und optische Gesicht unserer Gemeinde. Aus der Ferne deutlich sichtbar ruft der Kirchturm jeden Altenrüthener in seine Heimat.
Die Pfarrpatrone unserer Gemeinde
Gervasius und Protasius von Mailand (französisch Gervais et Protais, englisch Gervase and Protase; * im 3. Jahrhundert, † um 300, möglicherweise in Mailand) sind zwei christliche Märtyrer und Heilige. Der Name Gervasius bedeutet ‚der Speerknecht‘, Protasius ‚der Vorangestellte‘.
Vita
Gervasius und Protasius starben vermutlich zusammen um 300 unter Kaiser Diokletian den Märtyrertod in Mailand. Genaueres über ihr Leben und Sterben ist nicht bekannt. Sie sollen die Kinder von Vitalis und Valeria gewesen sein. Sie sollen mit ihrem Vater von Gaius von Mailand getauft worden sein. Einer Legende nach waren Gervasius und Protasius Zwillinge zur Zeit Neros. Sie wurden in Rom gefangen genommen, nach Mailand gebracht, wo Gervasius mit Bleigeißeln zu Tode gepeitscht und Protasius enthauptet wurde.
Verehrung
Nach einem Traum entdeckte Ambrosius von Mailand die Gebeine der Heiligen Gervasius und Protasius am 17. Juni 386 in der früheren Basilika der Heiligen Nabor und Felix. Ambrosius ließ die Gebeine in die von ihm erbaute nahe Kirche (heute Sant’Ambrogio) überführen, in der er später selbst auch beigesetzt wurde. Die Reliquien der drei Heiligen Ambrosius, Gervasius und Protasius befinden sich heute gemeinsam in der Krypta der Basilika Sant’Ambrogio in Mailand. Die Titelkirche der beiden Heiligen (zusammen mit Vitalis und Valeria) ist Santi Vitale e Compagni martiri in Fovea. Weitere wichtige Reliquienstätten sind die Basilika von Rapallo und die Kathedrale von Città della Pieve (beide Santi Gervasio e Protasio) in Italien, und die Kathedralen von Soissons (Saintes-Gervais-et-Protais), sowie von Le Mans (Saint-Julien) und von Sées (Notre-Dame), und wohl auch früher in der Kirche zu Civaux (Saintes-Gervais-et-Protais) in Frankreich.
1162 soll Rainald von Dassel Reliquien der Heiligen Gervasius und Protasius nach Breisach gebracht haben, wo sich im Münster ein entsprechender Reliquienschrein befindet.
Architektur
Die dreijochige verputzte Saalkirche mit einem dreiseitig geschlossenem Chor ist ein Dachreiter aufgesetzt. Der stattliche romanische Westturm wurde um 1200 aufgestockt und im 17. Jahrhundert dem barocken Neubau angepasst. Das Langhaus wurde von 1664 bis 1667 unter der Bauleitung von Nikolaus Tendel errichtet. Die zweigeschossige Sakristei im Osten wurde von Franz Christoph Nagel entworfen und von 1755 bis 1757 gebaut. Zur selben Zeit wurden die Fenster und Türen im Langhaus neu eingefasst. DasSüdportal mit einem Wappen ist mit 1779 bezeichnet. Im Saal ruht ein weites Kreuzgratgewölbe auf gestuften Wandpfeilern und Gurtbögen. Der Gang unter der Sakristei ist tonnengewölbt. Die tiefer gelegene Turmhalle ist kreuzgratgewölbt, die ursprünglich durch hohe Rundbogen zum Schiff hin geöffnete Halle wurde mit einer Fachwerkwand verschlossen. Auch die seitlichen Nischen waren ursprünglich offen. Die Sakristei und die Kleiderkammer befinden sich in der Flucht des Chores.Der 3/8 Schluss des Chores ist nur von Innen erkennbar.
360° Panoramatour durch unsere Pfarrkirche (externer Link)
Ausstattung
Eine umfangreiche Barockausstattung wurde um 1750 von Johann Theodor Axer geschaffen
- Großer Hochaltar, ausgestattet mit Figurenschmuck und einem Gemälde, auf dem die Verehrung der Eucharistie dargestellt ist, das Gemälde stammt von Anton Joseph Stratmann. Der Altar ist flankiert von geschnitzten Figuren der Kirchenpatrone
- Seitenaltäre von Johann Theodor Axer; der südliche zeigt Maria Himmelskönigin, der nördliche zeigt ein spätromanisches Volto Santo aus Silber und Holz. Das dazugehörige Altarbild von 1765 mit der Kreuzung Christi befindet sich heute an der nördlichen Chorwand
- Geschnitzte Kanzel
- In der Sakristei steht ein Ankleidetisch aus der Werkstatt mit einer Kreuzigungsgruppe aus der Werkstatt Axer
- Kreuz Herrgott von Altenrüthen, der Legende nach befinden sich als Reliquie in ihm Partikel vom Kreuz Jesu.
- Die große Glocke wurde 1680 von Johannes de la Paix und Claudius Lamiralle gegossen
Der Herrgott von Altenrüthen
Der erste christliche Kaiser von Rom, Konstantin der Große, bezahlte seiner Mutter, der heiligen Helena, eine Expedition in das heilige Land. Sie errichtete dort auch die Grabeskirche. Am Kalvarienberg wurden 3 Kreuze ausgegraben. Durch eine vom dortigen Bischof bezeugte Krankenheilung wurde festgestellt, welches das „richtige“ ist, an dem Jesus Christus gekreuzigt wurde. Eine Partikel vom Kreuz Jesus Christus war immer schon im Herrgott von Altenrüthen enthalten.
Das Alter und die Herkunft des Holzkreuzes des Herrgottes von Altenrüthen sind ungewiss, es existiert hierzu eine Legende, die Bedarf nachgelesen werden kann.
1472 wurde zum Schutz des Kreuzes die Kreuzbruderschaft offiziell gegründet, aus welcher der heutige Schützenverein entstand. Eine inoffizielle Schutzvereinigung muss aber schon sehr lange vorher bestanden haben.
1583 wurde das Kreuz durch abgefallenen Bischof von Köln (G. Truchsess) geschändet und beraubt. Im Jahre 1591 wurde dem Kreuz eine neue Partikel hinzugefügt. Weiter bekam Altenrüthen Reliquien der Hl. Gervasius, Protasius, Ursula und Barbara.
1623 wurde das Kreuz wieder beraubt (vom Tollen Christian, 30-Jähriger Krieg).
1654 wurde dem Kreuz wieder eine neue Partikel hinzugefügt.
1664 wurde die Partikel geteilt und ein Teil der neuen Kapelle in Nettelstädt übergeben.
1691 wurde in Altenrüthen die Kirche ausgeraubt. Daraufhin wurde der Teil aus Nettelstädt Dreigeteilt und verblieb in a) Nettelstädt, b) Altenrüthen und c) an einen geheimen, in Vergessenheit geratenen Ort.
Die Glocken von Sankt Gervasius und Protasius
Glocke 1
Die große Glocke wurde 1680 in Arnsberg von Johannes de La Paix aus Lothringen und Claudius Lamiralle gegossen
Inschrift:
ANNO 1680 BIN ICH GEGOSSEN AVZS DER GEMEIN ERSPROSSEN GOTT SEIN H CREVTZ EHRE ICH DIE LEBENDIGEN BERVFFE ICH DIE TODTEN BESCHRYE ICH HAGEL DONNER BRECHE ICH FUGITE PARTES ADVERSAE IOAN REVSCHENIVS ATTENDOR PASTOR PROVISORES HERM ADAMS IOAN SCRIBER LODOVIC WORDEHOFF
- * H = Die Abkürzung steht aller Wahrscheinlichkeit nach für „heilig“
- ** Fugite partes adversae = Fliehet, ihr feindlichen Mächte
- *** Attendor = Ich werde beachtet. Das Wort „Attendor“ ergibt an der Stelle keinen Sinn und kann eigentlich nur in Verbindung mit dem Sinnspruch der Glocke gelesen werden. Vermutlich wurde es nur an die falsche Stelle gesetzt und gehört hinter „adversae“
- **** Das Wort „Provisor“ kommt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt der Versorgende. Neben den Armenprovisoren, die sich in früheren Zeiten um die Belange der ärmeren Bevölkerungsschichten kümmerten, gab es auch die Kirchenprovisoren, die sich um die finanziellen Angelegenheiten der Kirchengemeinde sorgten. Aufgrund des Reichskonkordates wurde dieses Verwaltungsgremium mit dem „Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens“, kurz „Vermögensverwaltungsgesetz“ vom 24. Juli 1924 durch den „Kirchenvorstand“ ersetzt.
Die Inschrift der Glocke liest sich also wie folgt:
Im Jahre 1680 bin ich gegossen, aus der Gemeinde ersprossen, Gottes heiliges Kreuz ehre ich, die Lebendigen rufe ich, die Toten beschreie ich, Hagel und Donner breche ich. Fliehet, Ihr feindlichen Mächte – ich werde beachtet. Pastor Johannes Reuschenius, Kirchenvorstände Hermann Adams, Johannes Schreiber, Ludwig Wördehoff
Glocke 2
Inschrift:
DUB PASTORE TH. SORETH 1947.
GEGOSSEN VON A. JUNKER BRILON
BENEDICAM DOMINUM IN OMNI TEMPORE
SEMPER LAUS EJUS IN ORE MEO.
„PSL 33.“
Der Sinnspruch ist der Beginn des PSALM 34 (nach griechischer Zählung der 33.) ist ein Psalm Davids in der Bibel. Er gehört in die Reihe der Danklieder. Seine Verse sind in alphabetischer Anordnung, einem Akrostichon verfasst. Es ist der erste Psalm, der Engel als Behüter der Gottesfürchtigen beschreibt.
Die Inschrift der Glocke 2 liest sich also wie folgt:
Initiiert von Pastor Th. Soreth 1947, gegossen von A. Junker, Brilon. (Psalm 34) Ich will den HERRN loben allezeit; sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein
Glocke 3
Inschrift:
Inschrift:
DUB PASTORE TH. SORETH 1947.
GEGOSSEN VON A: JUNKER BRILON
STA. MARIA
ORA PRO NOBIS
Die Inschrift der Glocke 3 liest sich also wie folgt:
Initiiert von Pastor Th. Soreth 1947, gegossen von A. Junker, Brilon. Heilige Maria, bitte für uns
Recherche: Elmar Frenz, 2017
Geschichtliche Eckdaten der Pfarrkirche von Altenrüthen in chronologischer Reihenfolge
Jahreszahlen |
Ereignisse | |
ca. 750 |
entstand die Siedlung Ruothino, Kirche/Kapelle wahrscheinlich aus Holz | |
nach 800 | errichteten die Karolinger die 1. Kirche aus Stein | |
ca. 1000 | wurde zum Schutz vor Überfällen ein Wehrkirchturm errichtet | |
1200 | wurde mit der Gründung der Stadt Rüthen kein Wehrkirchturm mehr benötigt, darum wurde der Turm bis auf das 1. OG abgerissen und neu aufgemauert | |
1618-1648 | wurden im 30-Jährigen Krieg der Kirche und dem Turm schwere Zerstörungen zugefügt | |
1647 | wurde der Turm notdürftig repariert | |
1664 | wurde die mittelalterliche Kirche abgerissen und durch einen Neubau ersetzt (diese steht heute noch) | |
1686 | wurde der Turm repariert. Der Haupteingang der Kirche wurde der heutige Eingang zur Kapelle (jedoch ohne Türen, also eine offene Kirche). | |
ca. 1750 | wurde der heutige Hochaltar errichtet | |
1760 | wurde die Sakristei (EG +OG) und das Südeingangsportal (die heutigen Pendeltüren des Haupteinganges) errichtet. | |
1779 | wurde das Südportal vorgezogen, damit entstand die Eingangshalle. Der Turm und die Kirche wurden durch die Mauer abgetrennt. Der alte Haupteingang (jetziger Kapelleneingang) wurde zugemauert. Die heutige Orgel wurde gebaut. |