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Die Geschichte des Schützenvereins Altenrüthen

Die nachstehende Darlegung gilt nicht nur für die Altenrüthener Schützen, sondern in ihrem ersten Teil auch von den Ursprüngen her für die Schützenvereine in den Dörfern, die ehemals zum Großkirchspiel Altenrüthen mit seiner weithin ausstrahlenden Kreuzverehrung gehörten.

Der Werdegang unserer Schützenvereinigung

Alle althergebrachten Schützenvereine, zumal in den unbefestigten Dörfern, hatten schon eine lange Geschichte durchlebt, ehe sie zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurden. Dies gilt aber besonders von den Altenrüthener Schützen im weiteren Sinne.

Um diesen Werdegang richtig zu verstehen, müssen wir uns den Sinn und Inhalt des Wortes SCHÜTZE klarmachen. Die Wurzel des Wortes steckt nicht, wie allgemein angenommen, in der militärischen Aufgabe des SCHIESSENS, sondern vielmehr in SCHÜTZEN, BESCHÜTZEN. Darum haben wir in der Darlegung über unsere Schützen vor 1400 auszugehen von der Aussage des Bürgermeisters BRANDIS von Rüthen, über die uralte, in die Anfangszeiten unserer Kirche zurückgehende PFINGSTPROZESSION: seit uralten Zeiten seien nicht nur von Rüthen, sondern auch von überall her die „TUTORES“ des heiligen Kreuzes zu den Prozessionen zur Pfarrkirche Altenrüthen geeilt, um das heilige Kreuz dabei zu begleiten.

Wer sind nun die „tutores“ des HEILIGEN KREUZES? In der lateinischen Juristensprache versteht man darunter die Vormünder oder Vermögensverwalter. Diese Deutung ist hier fehl am Platze, da die Pfarrei Altenrüthen verwaltungsmäßig und kirchenvermögensrechtlich bis heute selbstständig und unabhängig ist. Also bleibt zur Erklärung dieses lateinischen Ausdruckes von Brandis nur die Urbedeutung: Schützer des heiligen Kreuzes. Außerdem werden in dem Bericht über die große Pfingstprozession, die Brandis vor allem im Auge hat, noch eigens die „Flintenmänner“ genannt, die den polizeilichen Schutz dieser Prozession an der Stelle übernahmen, wo sie an der Landesgrenze zwischen dem Erzbistum Köln und dem Landeshochstift Paderborn – entlangzog, etwa von Langestraße-Hemmern bis zum Kallenhardter Gebiet.

Diese Prozession, die ein bis in die heidnische Zeit reichender Flurumfang = Markenumgang war, nahm vor der Einführung des Fronleichnahmsfestes als Kultgegenstand das uralte hl. Kreuz mit, da Monstranzen noch unbekannt waren. Aus der siedlungsgeschichtlichen und kirchenrechtlichen Abhängigkeit heraus behielt dieser religiöse Brauch nicht nur seine Anziehungskraft bei den Filialkirchen Altenrüthens, sondern nahm in der Zeit der Kreuzzugsbewegung im Abendland im 11./12. Jahrhundert trotz des militärischen Misserfolges der Kreuzzüge einen ungeahnten Aufschwung, der selbst die Kinder zu den sogenannten „Kinderkreuzzügen“ begeisterte. Im Blick auf die geistlichen Ritterorden scharten sich Bürger und Bauern, arm und reich, um unser Kreuz, um wie die Ordensritter dem gekreuzigten Erlöser zu dienen: in gesteigertem religiösen Eifer, in Hilfsbereitschaft und Schutz für die Kreuzpilger und im hilfreichen Dienst an den Armen, Kranken, Notleidenden, Witwen und Waisen. Als das Heilige Land für die abendländische Christenheit verloren war, bedeutete das nicht nur keinen Rückgang der Kreuzverehrung, sondern ließ sie im Gegenteil noch wachsen. In den Kreuzprozessionen machte man die eigene Heimat zum „heiligen Land“, über das nun die Gläubigen den Gekreuzigten trugen, als wäre ER nicht nur ein von Künstlerhand gestaltetes Bild, sondern der HERR leibhaftig, der segnend, wie während seines Erdenlebens, nun über unsere Heimaterde ging, um sie in seinen Schutz zu nehmen. Aus dieser – fast schwärmerischen – Haltung heraus entstand dann auch die KREUZBRUDERSCHAFT, die nach langer Bewährung 1472 vom Papst bestätigt wurde.

Die militärischen Aufgaben

Militärische Aufgaben kamen erst später auf unsere Bruderschaft zu. Ursprünglich versahen den Schutz der 1200 gegründeten Stadt Rüthen die Burgmannschaft unter Führung des Ritteradels in unserer Gegend. Aber die Erfindung von Handfeuerwaffen nahm den Ritterheeren ihre militärische Bedeutung. 1243 wurde in Flandern bei Bouvines die letzte Schlacht der Ritterheere geschlagen. Deshalb mussten die Bürger, die nach dem alten Gesetz schon früher zum Wach – und Schanzdienst verpflichtet waren, mehr und mehr den Schutz ihrer eigenen Stadt in die eigenen Hände nehmen. Um eine ordnungsgemäße und erfolgreiche Verteidigung zu sichern, wurden sie in Gruppen, sogenannte „Rotten“ eingeteilt, denen dann in der Stunde der Gefahr ein genau bezeichnetes Stück der Stadtmauer, exakt bestimmte Türme und Stadttore zur Besetzung zugewiesen wurden. Auch Aufgaben und Dienstleistungen ganz besonderer Art, z.B. Kontrolldienst zu Pferd an den Landwehren, Späherdienste außerhalb der Stadtmauern usw., wurden den Bürgern übertragen.

Darum bildeten die Bürger eigene militärische Gruppen mit einem fest umrissenen Aufgabenbereich, die sich nach dem frommen Brauch des Mittelalters unter den Schutz bestimmter Heiliger, besonders des Kirchenpatrons, des hl. Hubertus, des hl. Sebastian usw., stellten. Sie wurden zu Bruderschaften, d.h. zu Vereinigungen mit bestimmten religiösen Pflichten.

Da neben Meiste und Kneblinghausen auch Altenrüthen zu den „STADTDÖRFERN“ Rüthens gehörte und damit sich in einem bestimmten Pflichtverhältnis gegenüber Rüthen befand, wurde auch die waffenfähige Mannschaft, die Schütten =Schützen, dieser Dörfer zur Verteidigung Rüthens herangezogen. Dieser Zeitpunkt ist allgemein der Geburtstag der herkömmlichen Schützengesellschaften oder – bruderschaften. Deshalb finden wir auch in den Rüthener Ratsprotokollen erst nach 1500 ihre Erwähnung, die Altenrüthener Schützen werden im Kämmereiregister der Stadt zum ersten Male um 1513 erwähnt. Es steht dort nach Aussagen des + Dr. Viegener: „Item den Schutten zu Aldenruden schenket 15 Stüber.“ Ebenso im Jahre 1515: „…den Schutten von Aldenruden noch an geschenckten Beer…1,5 Gulden.“ Bier bekamen die Schützen vom Rat der Stadt spendiert bei den festgesetzten Schießübungen oder bei der Rückkehr von einem militärischen Auftrag, ehe sie in ihr Dorf heimkehrten.

Wie schon gesagt, unterstanden die Altenrüthener Schützen – dasselbe gilt von denen aus den beiden anderen Stadtdörfern Meiste und Kneblinghausen – dem Kommando des Rüthener Rates, der sie auch ausmusterte und zu leistungsfähigen Gruppen zusammenfasste. Bei dieser Gelegenheit wurden ihnen vom Rat die sogenannten „Kogeln“ verpasst, wie der Soldat sagt. Die KOGEL war eine besondere Schützentracht, eine Art Uniform, die aus einem Schützenhut und meisst auch einem Kittel bestand, die an Festtagen „von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang“ getragen werden musste. Das geht aus folgenden Eintragungen im Kämmereiverzeichnis hervor:

1515: „Item den Schutten van Aldenruden Syden (Seidenschnüre wohl) up dey kogelen 2 Stüber, noch auk geschenckt an der beer 6 Stüber.“

1545: „Item dey Schutten bynnen und buiten (den Schützen aus der Stadt=bynnen und den Stadtdörfern=buiten) an Geschenck (ausgeschenktem Bier) und koegeln gekostet 72 Gulden.“

Jeder Schütze hatte in Altenrüthen auch seinen „Schuttenknecht“, einen Helfer, der die Waffen pflegen musste. Darum heisst es 1530: „Item den aldenrüdischen knechten in tilen loßeken huse (für) 8 Gulden Beer.“ Vielleicht waren diese Schützenknechte auch aus dem Kreis der nicht bürgerfähigen fremden Knechte auf den Höfen entnommen. Mehrmals im Jahr trafen sich die Altenrüthener Schützen zum Übungsschießen, zum Scheibenschießen. Sicherlich wurde bald die Scheibe durch den Vogel, „Papagei“, ersetzt.

Für die Schützen, besonders die Altenrüthener, war es eine Ehrensache, bei den Prozessionen schützend das Allerheiligste zu begleiten, vor allem beteiligten sie sich an der Pfingstprozession am Pfingstdienstag. Der Schutz des hl. Kreuzes war ja anfangs ihre eigentliche Aufgabe gewesen.

In besonderen Notizen unterstanden die Altenrüthener Schützen – wie auch die der anderen Orte – der Wehrhoheit des Landesherrn, des Kurfürsten von Köln. So wurden 1602 sechs von ihnen zur Musterung nach Erwitte beordert. Nach 1550 erkannte der Rat der Stadt die Schützen auch aus den Dörfern als selbstständige Gruppen und Vereinigungen an, die neben ihren militärischen Aufgaben auch das gesellige Leben in der Stadt und den Stadtdörfern gestalteten und bald bestimmten. Das Schützenfest trat ins Bild des Lebens in Stadt und Land: „alle Jaer wannehr daß die Schütten den Foegel scheiten eine ehrliche Gesellschaft halten“, will die Stadt den Schützen zu diesem Fest einen bestimmten Betrag „verehren“. Um 1570 änderte sich der Name; die „schutten von aldenruden“ nannten sich von nun an „Erbare Schützengesellschaft“ und brauchten als Anrede untereinander „schüttenbroder“. Nach 1576 fehlte die Erwähnung unserer Schützen in den Rüthener Kämmereiregistern.

Nun bleibt noch die Frage zu beantworten, warum es in unseren größeren Dörfern zwei Schützenkompanien gibt, die Vereinigung der verheirateten Männer, in den Städten Bürgerschützen, und die Junggesellenschützen. Diese Junggesellenschützen, die es Ende des 18. Jahrhunderts noch in Kellinghausen gab, war eine Schützenformation, der besonders gefahrvolle Aufgaben gestellt wurden, z.B. das Aufspüren und Verfolgen feindlicher Abteilungen, die in den Bannkreis der Stadt eingedrungen waren. Sie konnten sich nicht wie die verheirateten, die Frau und Kinder hatten, hinter dem Mauerkranz aufhalten, sondern mussten immer wieder ihr Leben aufs Spiel setzen. Sie waren – auf die heutige Zeit übertragen – die aktive Truppe, während die Verheirateten, die Männerschützen, mehr die Reserve bildeten.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg, als die Schützen gegenüber den Söldenerheeren = Berufssoldaten nur wenig mehr ausrichten konnten, wurden gerade die Junggesellenschützen zur Verfolgung und Abwehr von Räuberbanden eingesetzt. Sie führten damit auf Befehl der städtischen oder landesfürstlichen Obrigkeit polizeiliche Aufgaben durch.

In der Zeit des Absolutismus galten die Schützenvereine und besonders die Schützenbruderschaften als wehrhafte und mannhafte Verteidiger der angestammten Rechte und Freiheiten der Bürger. Darum zielten die ersten Verführungen der neuen Herren in den ehemals geistlichen Fürstentümern Köln, Paderborn und Münster, besonders den Preußen, auf die Auflösung der alten Schützengemeinschaften hin. Hingegen galten die Schützengesellschaften als eine Art Kriegerverein und hatten die Wehrtüchtigkeit und  -bereitschaft zu pflegen. Schutzpatron der Schützenbruderschaft bei, z.B. im kalvinistischen Brünen bei Wesel: St. Johann.

Noch etwas ist zum Ruhm unserer Schützenvereinigung nachzutragen. Während viele Schützenvereine in dieser Zeit aus dem öffentlichen Leben verschwanden, überstand die „Ehrbare Schützengesellschaft von Altenrüthen“ die ungünstigen Zeiten. Von ihr wird noch 1789, als die französische Revolution unheilvoll zu wirken begann, geschrieben, daß sie immer noch das übliche Schützenfest feiere. Dies war nur möglich, weil sie sich mehr als andere Schützenvereine den religiösen Bruderschaftscharakter bewahrt hatte. Darum konnte ihr auch keine Regierungsbehörde ihre religiösen Aufgaben verbieten, vor allem die Begleitung des heiligen Kreuzes und des Allerheiligsten bei den überlieferten Prozessionen. Noch die Protokollbrüder des Altenrüthener Schützenvereins aus dem vorigen Jahrhundert lassen deutlich den Bruderschaftscharakter erkennen, wenn in ihnen die Pflicht eingeschärft wird, für die verstorbenen Mitglieder heilige Messen lesen zu lassen, sich ihrer Witwen und Waisen hilfreich anzunehmen usw. Erst die moderne Zeit hat die Schützenvereine säkularisiert oder auf den äußersten Rand religiöser Betätigung verwiesen, der Teilnahme an den Prozessionen.

Nach dem Zusammenbruch, der durch den Zweiten Weltkrieg herbeigeführt war, als die Entwertung aller überlieferten Werte wie Religion, Heimat und Vaterland uferlos sich ausbreitete, besannen sich in den überwiegend katholischen Landesteilen im freien Westen Deutschlands die Schützenvereine wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben: Schützer, Hüter und tatkräftige Erhalter der unvergänglichen Werte unseres Volkes zu bleiben und Heimat, Glaube und echt Vätersitte zu verteidigen.

Unter vielen Mühen und beispielhafter Opferbereitschaft haben sich auch die Altenrüthener Schützen eine prachtvolle Schützenhalle als eigene Heimat und als Kraftzentrum geschaffen, von dem aus sie nach dem Verlust der politischen Selbstständigkeit des Dorfes in naher Zukunft Sorge dafür tragen wollen, dass der Entwertung des Einzelmenschen, der kleinen Dorfgemeinschaft durch die verwaltungstechnische Automation, in der nur die großen Zahlen noch eine gewisse Geltung haben, Widerstand geleistet werde, damit die Seele, das Heimatgefühl und die Liebe zur angestammten, wenn auch kommunalpolitisch noch so kleinen Gemeinschaft unseres Dorfes über alle Zeiten hinaus gerettet werde. Das wird die verantwortungsvolle Arbeit unserer Schützenvereine sein, die wahrscheinlich als einzige Dorfinstitution, vielleicht neben der Pfarrkirche, ihre Selbstständigkeit bewahren können. Dazu helfe Gott!

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